An der Börse gibt es keine Preisschilder wie im Supermarkt, deren Preise vom Marktleiter festgelegt werden. Man kennt zwar die offiziellen Kurse, aber diese kommen durch Angebot und Nachfrage dynamisch zustande und geben nicht an, zu welchem Preis man tatsächlich als nächstes wird handeln können. Dafür gibt es das sogenannte Orderbuch.
Wenn man an der Börse z.B. mit Aktien handeln will, lässt man von seinem Broker eine Order ins Orderbuch einstellen. Vom Börsenmakler (oder Market maker) werden dann Kauf- und Verkaufsorders zusammengeführt, und der Handel kommt zustande, oder auch nicht, falls die Preisvorstellungen nicht zueinander passen.
Limitierte Order
Beim Einstellen der Order hat man die Wahl, ein Limit anzugeben, wie viel Geld man maximal ausgeben bzw. minmal verlangen möchte – oder man kauft zu den gerade verfügbaren Preisen, was man dann „bestens“ bzw. „billigst“ nennt. Dabei ist „billigst“ nicht unbedingt billig , sondern nur das am wenigsten teure gerade vorhandene Angebot im Orderbuch. Am besten lassen sich die Vorgänge wohl mit einem Beispiel verstehen.
Beispiel Bauernmarkt
Stell dir einen Bauernmarkt vor. Bauer Ewald verkauft 5 Kilo Tofu aus Schweineprotein. Er hätte gerne 3 Euro für eine Portion Schweinetofu. Er ist aber so schlau zu wissen, dass er die nicht für alles bekommen wird, denn der offizielle Kurs des letzten Handels von gestern war bei nur 1,50 Euro. Darum erstellt er Angebote über 1 Kilo zu 2 Euro, um überhaupt sicher was zu verkaufen, über 2 Kilo zu 3 Euro, und, um seinen Schnitt zu machen, 2 Kilo zu 4 Euro.
Ich will 1 Kilo Tofu kaufen, weil ich Gäste bekomme, die so was mögen. Aber mehr als 1 Euro will ich eigentlich nicht ausgeben. Du willst auch 1 Kilo Schweinetofu kaufen, um es mal zu probieren, aber weil es dir nicht so wichtig ist, bietest du nur 50 Cents. Dann sieht das Orderbuch für Schweinetofu so aus:
Ask / Brief (engl. bzw. deutsch für Verkaufsangebote):
2 Kilo 4
2 Kilo 3
1 Kilo 2
Bid / Geld (engl. bzw. deutsch für Kaufgebote):
1 Kilo 1
1 Kilo 0,50
Erstmal passiert nichts. Dann kommt plötzlich die reiche Tante Erna vorbei und kauft 2 Kilo Schweinetofu für den sogenannten „billigsten“ Preis, d.h., so günstig wie gerade angeboten wird, weil sie es eilig hat. Sie schnappt das Sonderangebot weg und ein Kilo vom mittleren und bekommt so einen Durchschnittskus von 2,50.
Der offizielle Kurs steigt damit auf 3 Euro, weil der Makler ordnungsgemäß von unten nach oben 1 Kilo zu 2 und dann ein Kilo zu 3 zuteilt. Pech für mich, dass ich zu geizig war – nun wird es für mich vielleicht erst recht teuer. Ich krieg Panik und erhöhe mein Kauflimit auf 1,50 Euro, damit ich meinen Gästen vielleicht doch was servieren kann. Aber auf 3 Euro will ich doch nicht gehen.
Ask / Brief:
2 Kilo 4
1 Kilo 3
Bid / Geld:
1 Kilo 1,50
1 Kilo 0,50
Dann kommen plötzlich schlechte Nachrichten rein. Beyond Plants verkauft auf einmal noch billigeren Tofu aus Klärschlamm. Der Tofumarkt wird nervös, und Bauer Ewald merkt, dass er Gefahr läuft, dass keiner mehr seinen Schweinetofu haben will. Er senkt seine Verkaufspreise auf 1,50 und 2,50 Euro und plupp, bekomme ich den Zuschlag für mein Kilo zu 1,50.
Ask / Brief:
2 Kilo 2,50
Bid / Geld:
1 Kilo 0,50
Jetzt stehst du vor einer schwierigen Entscheidung – willst du doch noch schnell Tofu kaufen, bevor die Börse schließt, oder hoffst du auf noch weiter fallende Kurse?
Die Tofupanik nimmt zu. Bauer Ewald verliert die Nerven und senkt seinen Preis auf den sogenannten „besten“ Preis, d.h. den höchsten gerade gebotenen. Glückwunsch für dich Du bekommst das letzte Kilo zum neuen offiziellen Kurs von 0,50 Euro. Und Bauer Ewald bleibt auf einem Kilo sitzen.
Ask / Brief:
1 Kilo 2,50
Der Spread
Praktisch ist das Thema zum Glück nicht immer so wichtig, denn dicke liquide Aktien kann man oft ruhig bestens/billigst zu gerade angebotenen Preisen kaufen, weil sich Bid und Ask kaum unterscheiden. Den Unterschied zwischen den beiden nennt man den „Spread“. Bei Aktien kleinerer Firmen kann der Spread beträchtlich sein und dazu führen, dass gerade gekaufte Aktien nur mit einem Verlust von mehreren, teils zweistelligen Prozenten wieder verkauft werden können. Darum sollte man den Spread beim Abschätzen möglicher Kursgewinne mit berücksichtigen.
Crash und StopLoss
Das Orderbuch sollte man es außerdem für den Ernstfall kennen, denn wirklich wichtig wird es auch im Crash. Es gibt Verkaufsorders, die automatisch auslösen, wenn der Kurs eine bestimmte Schwelle unterschreitet (sog. „StopLoss“). Man hofft dadurch, den Verlust zu begrenzen. Manchmal misslingt das trotzdem, weil diese Orders dir keinen Verkaufspreis garantieren können. Wenn du bei Tesla jetzt einen StopLoss von 2000 Dollar setzt und es dann einen veritablen Crash gibt, können die Aktien in großen Bündeln so schnell abgestoßen werden, dass dein Kleinanleger-Stopp in der Nähe deines StopLoss-Kurses überhaupt keinen Käufer findet, das Orderbuch auf der Bieterseite ruckzuck leer ist und erst 50% tiefer wieder gehandelt wird.
Es gibt auch Varianten des StopLoss, bei der man noch einen Mindestpreis angeben kann, unter dem nicht gehandelt wird. Dann sitzt man aber auf seinem hohen Verkaufsangebot wie Bauer Ewald auf seinem Tofu, während die Kurse immer tiefer rauschen. Ob das sinnvoll ist, hängt dann von der Aktie und der Art des Kurssturzes ab. In einem Fall wie Wirecard, das 2020 vom Vorzeige-Hightech-Unternehmen zum Betrugsfall enttarnt wurde und um 99% an Wert verloren hat, wäre jeder ausgeführte StopLoss einem Verkaufslimit vorzuziehen gewesen.